Warum dürfen Verbände, Vereine und Kammern abmahnen?

Die Abmahnbefugnis (genauer Klagebefugnis) von Verbänden und bestimmten qualifizierten Einrichtungen ist in § 8 Abs. 3. Nr. 2 und Nr. 3 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) geregelt. Darin heißt es:

„…Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

  1. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt;
  2. qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dass sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind;…“

Ausgangspunkt ist, dass die dort genannten Organisationen entweder kollektiv Mitglieder- oder Verbraucherinteressen für einen fairen Wettbewerb wahrnehmen.

Inhaltsverzeichnis

1. Was regelt das UWG?

2. Welche Verbände sind klagebefugt?

3. Welche qualifizierten Einrichtungen sind klagebefugt?

4. Prüfen die Gerichte die Klagebefugnis?

1. Was regelt das UWG?

Das UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) regelt vereinfacht gesagt die Pflicht zu fairem (lauteren) Wettbewerbsverhalten von Marktteilnehmern, insbesondere Unternehmen.

Das Gesetz enthält viele Ge- und Verbote, um das lautere Verhalten am Markt sicherzustellen. Dazu zählen insbesondere die Verbote der Irreführung von Verbrauchern (§§ 5, 5 a UWG) und des Rechtsbruchs (§ 3a UWG).

Über das Verbot des Rechtsbruchs kommen andere gesetzliche Normen in den Anwendungsbereich des UWG. Denn danach handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Verstöße gegen Rechtsvorschriften außerhalb des UWG, die häufig von Verbänden abgemahnt werden sind z.B. solche gegen

  • die Preisangabenverordnung (PAngV),
  • die Textilkennzeichnungsverordnung (Verordnung EU Nr. 1007/2011),
  • die Pflicht zu einer Verlinkung auf die OS-Plattform (EU-Plattform für die Online-Streitbeilegung),
  • gegen die Pflicht zu einer korrekten und vollständigen Widerrufsbelehrung,
  • gegen die Pflicht zu Verwendung wirksamer, nicht unangemessen benachteiligender allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB).

Es gibt in Spezialgesetzen weitere lauterkeitsrechtliche Verbote, die bestimmte Verbände gern abmahnen. So ist der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) bekannt dafür, Verbote aus dem Heilmittelwerberecht (z.B. Verbot der irreführenden Werbung bei Heilmitteln, § 3 HWG – Heilmittelwerbegesetz) durchzusetzen. Die Kammern der freien Berufe setzen häufig Tätigkeitsverbote zugunsten ihrer privilegierten Mitglieder durch, so z.B. die Rechtsanwaltskammern das Verbot zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen, §§ 2, 3 RDG – Rechtsdienstleistungsgesetz) oder die Steuerberaterkammern das Verbot zur Hilfe in Steuerangelegenheiten, § 2 StBerG – Steuerberatungsgesetz). Der IDO-Verband (IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.) mahnt gern Verstöße gegen die Preisangabenverordnung ab.

2. Welche Verbände sind klagebefugt?

Wer zu Klage nach dem UWG befugt ist, der darf grundsätzlich auch abmahnen. Klage- und Abmahnbefugnis sind daher gleichzusetzen.

a) Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen

Nicht jeder Verband, der Unternehmer zu seinen Mitgliedern zählt, ist auch klagebefugt. Es muss sichergestellt sein, dass ein handelnder Verband auch im Allgemeininteresse handelt. Dies ist nur der Fall, wenn:

  • Der Verband den Zweck der Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen verfolgt. Dies ist anhand der Zielsetzung, d.h. der Satzung und der tatsächlichen Tätigkeit des Verbandes zu ermitteln. Der Zweck darf nicht lediglich ein Vorwand sein, um sich selbst, Mitarbeitern oder Anwälten Einnahmen zu verschaffen.
  • Dem Verband außerdem eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, „die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben“. Es muss hier also ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Mitgliedsunternehmen und dem vermeintlichen Verletzer bestehen. Ein Verband von Bäckereien kann dementsprechend nicht gegen eine Apotheke vorgehen.
  • Der Verband sachlich, personell und finanziell dazu in der Lage ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben (z.B. die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs) wahrzunehmen. Hierzu gehört insbesondere auch die Fähigkeit, die Kosten für die Rechtsverfolgung (Abmahnungen, Prozesse) grundsätzlich selbst tragen zu können.

b) Handwerksinnungen, Kammern der freien Berufe

Die Kammern der freien Berufe (Rechtsanwälte, Ärzte, Zahnärzte, Steuerberater, Ingenieure) sind klagebefugt, soweit es um die Wahrung der beruflichen Interessen ihrer Mitglieder geht. Sie können sowohl eigene Mitglieder abmahnen als auch Dritte, wenn diese gegen berufsbezogene Regeln verstoßen (z.B. gegen das Verbot zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen ohne Erlaubnis).

Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) und die Handwerkskammer sind ausdrücklich nach § 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG klagebefugt.

Welche einzelnen Verbände, Vereine und Kammern in jüngster Zeit durch Abmahnungen aufgefallen sind, erfahren Sie in der Rubrik „Wer mahnt ab?“.

3. Welche qualifizierten Einrichtungen sind klagebefugt?

Qualifizierte Einrichtungen zum Schutz von Verbraucherinteressen können klagebefugt sein, wenn Sie in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des UKlaG – Unterlassungsklagengesetz eingetragen sind. Hier geht es um die Klagebefugnis der Verbraucherverbände. Die Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung sind hier auf solche Ge- und Verbote des UWG beschränkt, die Verbraucher schützen sollen.

In die Liste waren (Stand 23.04.2020) insgesamt 78 Einrichtungen eingetragen. Zu den wichtigsten zählen:

Welche einzelnen Verbände, Vereine und Kammern in jüngster Zeit durch Abmahnungen aufgefallen sind, erfahren Sie in der Rubrik „Wer mahnt ab?“.

4. Prüfen die Gerichte die Klagebefugnis?

Ja! Die Voraussetzungen der Prozessführungsbefugnis sind von den Gerichten von Amts wegen und auch noch in der Revisionsinstanz zu prüfen. Dabei trifft die Verbände die Pflicht zur Darlegung und zur Beweisführung für eine behauptete Klagebefugnis. Um z.B. nachzuweisen, dass dem Verband eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, „die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben“, muss er die Namen, Branchen, Umsätze und örtlichen Tätigkeitsbereiche seiner Mitglieder im Prozess so bekannt geben, wie dies zur Überprüfung durch das Gericht erforderlich ist.

In der jüngeren Rechtsprechung hat z.B. das OLG Frankfurt dem IDO-Verband (IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.), der bei Online-Händlern bekannt für Abmahnungen ist, die Klagebefugnis abgesprochen (OLG Frankfurt, Urteil vom 02.05.2019, 6 U 58/18). Zur Begründung führte das Gericht u.a. aus: „Der Kläger verfügt nicht über eine hinreichende Anzahl von Mitgliedern, die „Spielwaren“ und „Comics“ vertreiben.“.  Es kann sich für Abgemahnte also lohnen, bei Zweifeln die Klagebefugnis (und damit Abmahnbefugnis) eines Verbandes gerichtlich überprüfen zu lassen.