Unserer Kanzlei lagen kürzlich zwei Abmahnungen von Rechtsanwalt Roger Näbig vor, die im Auftrag der Firma Thoralf Klabunde Immobilien an in Berlin tätige gewerblichen Makler für Immobilien versandt wurde. Meldungen im Internet zufolge handelt es sich hierbei nicht um einen Einzelfall. Dies wirft einen Missbrauchsverdacht auf, dem es sich lohnt nachzugehen.
Wir möchten nachfolgend über eine Abmahnung und das sich daran anschließende Gerichtsverfahren berichten:
- Gegenstand der Abmahnung
Gegenstand der Abmahnung vom 16.08.2020 war die vermeintlich fehlende Verlinkung auf die EU-Online-Streitbeilegungsplattform auf der Angebotsseite unserer Mandantin bei www.immobilienscout24.de. Dies stelle einen Wettbewerbsverstoß nach § 3a UWG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Online- Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (Online Dispute Resolution, kurz: ODR-VO EU) dar, der mit der Abmahnung weiterverfolgt würde. Unsere Mandantin sollte eine der Abmahnung beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu Gunsten der „Einzelfirma Thoralf Klabunde Immobilien“ abgeben und Abmahnkosten in Höhe von 710,85 € an Rechtsanwalt Näbig zahlen.
2. Hinweispflicht auf das Online-Streitbeilegungsverfahren
Tatsächlich müssen alle Websitebetreiber, die online Verträge mit Endkunden abschließen, seit dem 9.1.2016 einen Hinweis und einen Link auf die Streitschlichtungsplattform der EU einbinden. Wo der Link genau sein muss, ist gesetzlich nicht geregelt. Mit einer Entscheidung vom 22.09.2020 (XI ZR 162/19) hat der BGH aber nun klargestellt, dass ein Unternehmer, der sowohl eine Internetseite unterhält als auch AGB verwendet, den Hinweis und Link sowohl auf seiner Internetseite (z. B. im Impressum) als auch in die AGB aufnehmen muss. Der Hinweis ist dabei leicht zugänglich, klar und verständlich zu erteilen, d. h. er darf weder auf der Internetseite noch in den AGB versteckt werden.
Es ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung der deutschen Gerichte, dass ein Fehlen des Pflichthinweises auf das Online-Streitbeilegungsverfahren und der Verlinkung auf die OS Plattform als abmahnbarer Wettbewerbsverstoß einzustufen ist. Liegt ein Verstoß gegen die Hinweispflicht vor und ist der Abmahnende anspruchsberechtigt (dies wäre z. B. bei Mitbewerbern oder ggf. bei Wettbewerbsverbänden der Fall), ist die Abmahnung grundsätzlich berechtigt, es sei denn, das Abmahngebaren ist rechtsmissbräuchlich.
3. Indizien für missbräuchliches Vorgehen im Fall „Klabunde & Näbig“
Ein Missbrauch ist nach § 8 Abs. 4 UWG dann anzunehmen, wenn die Abmahntätigkeit sich verselbstständigt, das heißt, in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2011 – I ZR 42/10).
Für die Annahme des Missbrauchs bestehen im Fall „Klabunde & Näbig“ erhebliche Anhaltspunkte:
Zunächst scheint der Rechtsanwalt Näbig im Duo mit dem Einzelunternehmer Thoralf Klabunde als (Massen-) Abmahnanwalt weitreichend bekannt zu sein. Nach zahlreichen Berichten im Internet sollen bereits viele Makler wegen angeblicher Verstöße gegen die Hinweispflicht auf das Online-Streitbeilegungsverfahren abgemahnt worden sein. Auch unserer Kanzlei liegt noch eine weitere Abmahnung dieser beiden Akteure vom 06.09.2020 an eine andere Mandantin vor, in der es ebenfalls um eine vermeintlich fehlende Verlinkung zur OS-Plattform geht. Die Abmahnung ist – bis auf die Daten des Abgemahnten und die gesetzten Fristen – im Wortlaut identisch mit der hier gegenständlichen Abmahnung.
Es bestehen daher erhebliche Indizien dafür, dass Herr Klabunde und der Rechtsanwalt Näbig mit Schubladen– bzw. Massenabmahnungen arbeiten. Dieses Vorgehen begründet zwar an sich noch nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Es bestehen allerdings zusätzlich erhebliche Zweifel daran, dass die Abmahnaktivitäten des Herrn Thoralf Klabunde in einem angemessenen Verhältnis zu seiner tatsächlichen geschäftlichen Aktivität stehen.
Sein Unternehmen ist offensichtlich eine „One-Man-Show“. Die Webseite von Thoralf Klabunde Immobilien wirkt wie eine selbst erstellte Webseite aus den neunziger Jahren ohne jeden Mehrwert für potentielle Immobilienkunden oder ein ernsthaftes Angebot. Es konnten auch, bis auf die vielen Google-Einträge zu Abmahnungen, keine wesentlichen geschäftlichen Aktivitäten des Herrn Klabunde im Jahr 2020 (oder überhaupt) ausfindig gemacht werden.
Es ist daher unwahrscheinlich, dass Herr Klabunde mit seinem Immobilienunternehmen im Jahr 2020 Umsätze erwirtschaftet hat, die das massenhafte Vorgehen gegen Mitbewerber wegen Wettbewerbsverstößen – an der Grenze zur Bagatelle – als kaufmännisch vertretbar erscheinen lassen. Vor diesem Hintergrund drängt sich auf, dass seine Abmahnaktivitäten nicht in einem kaufmännisch vertretbaren Verhältnis zu seinen Aktivitäten als Immobilienmakler stehen können.
Als weiteres Indiz für den Rechtsmissbrauch ist hier zu berücksichtigen, dass der Abmahner in seiner Abmahnung einen weit überhöhten Streitwert von 7.500,- € angesetzt hat, der mehr als das Doppelte des vom Kammgericht (Berlin) in diesen Fällen angesetzten Gegenstandswertes beträgt.
Dass vorliegend das Gebührenerzielungsinteresse im Vordergrund steht, ist daher offensichtlich.
Ein Rechtsmissbrauch ist nach allem naheliegend. Dies hätte zur Folge, dass die Abmahnungen vollständig als unzulässig zurückgewiesen werden können.
4. Verfahrensende – Antragszurücknahme
Weil unsere Mandantin keine Unterlassungserklärung abgab, beantragte Herr Thoralf Klabunde über Rechtsanwalt Roger Näbig beim Landgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nachdem die einstweilige Verfügung erging, wurde durch uns Widerspruch erhoben, in dessen Rahmen wir auch zum Rechtsmissbrauch nach § 8 Abs. 4 UWG vorgetragen haben. In unserem Widerspruch regten wir u. a. an, dem Herrn Thoralf Klabunde aufzugeben, im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen, welche Umsätze er im Jahr 2020 erzielt hat, welchem Umfang seine Abmahntätigkeiten haben und wie er die Verfahren gegen Mitbewerber wegen UWG-Verstößen mit seinem Prozessbevollmächtigten abrechnet. Eine Stellungnahme hierauf erfolgte nicht, stattdessen wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen.
Von einem nahezu gleichen Verfahrensablauf hatte auch der Kollege RA Scharmach am 25.02.2020 hier berichtet, dem wir für den Hinweis herzlich danken möchten.
Die Rücknahme des Antrages legt den Schluss nahe, dass die Abmahnung des Herrn Thoralf Klabunde den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG erfüllt und daher insgesamt unberechtigt ist.
Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass es Mitbewerber und Rechtsanwaltskollegen gibt, die sich von der Möglichkeit, mit Abmahnungen schnelles Geld zu machen, hinreißen lassen und damit den Ruf des Anwaltsberufes nachhaltig beschädigen.
Es kann sich also lohnen, eine Abmahnung nicht einfach hinzunehmen und die strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, selbst wenn die Rechtsverletzung an sich vorzuliegen scheint.
Haben Sie ebenfalls eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung von Rechtsanwalt Roger Näbig im Auftrag von Herrn Thoralf Klabunde erhalten? Gern können Sie die Abmahnung an kontakt@abd-partner.de schicken oder rufen Sie uns an: 030 36 41 41 90.
Wir empfehlen, die Abmahnung anwaltlich auf Ihre Berechtigung prüfen zu lassen und sodann gemeinsam eine tragfähige Strategie zum weiteren Vorgehen zu entwickeln. Kontaktieren Sie uns, um die Abmahnung unverbindlich zu besprechen.
Unterzeichnen Sie nicht vorschnell eine Unterlassungserklärung (mehr dazu erfahren Sie hier: Unterlassungserklärung abgeben ja/nein)!
Nehmen Sie andererseits die Abmahnung nicht auf die leichte Schulter (mehr dazu: Abmahnung erhalten? Was tun?).